Vorwort :
Diese Satire habe ich geschrieben, als ich 1993 wirklich wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus lag. Da ich gerade von einer Weltreise zurückgekommen war, lag der Verdacht auf eine Tropenkrankheit nahe. Es stellte sich jedoch heraus, dass ich die Legionärskrankheit hatte. Nicht ganz so ohne, aber ich bin ja robust !
Und da nichts von dem hier Erzählten tatsächlich geschehen ist, ich also auf jegliche Unterhaltung verzichten musste, na dann habe ich eben meine Fantasie walten lassen. Und so habe ich oft grinsend im Bett gelegen und die Geschichte weitergesponnen, bis mir meine Lebensgefährtin ( ich will sie hier einfach mal Annette nennen ) Papier und Schreibzeug mitbrachte.
Und schon ging es los mit dem unmöglichen Krankenhaus …
Viel Spaß mit der Satire wünscht Ihnen Ihr mittlerweile genesener Rudolf Zentgraf
Inhaltsverzeichnis :
04 – 11 : Die Einweisung
12 – 19 : Untersuchungen und Röntgen
20 – 24 : Infusionen, Diffusionen, Kernfusionen
25 – 30 : Nur eine Spritze
31 – 38 : Die Elektromassage
39 – 44 : Besucher
45 – 50 : Nächtliche Unruhe
51 – 55 : Der Kurzschluss
56 – 63 : Geschlossene Abteilung
64 – 69 : Jagd auf den Kater
70 – 74 : Diebe und Schießereien
75 – 84 : Party im OP
85 – 93 : Im Rettungswagen unterwegs
94 – 99 : Die Entlassung
Die Einweisung
Sicher ist das jedem von Euch auch schon mal passiert, das ein unerwartetes Ereignis einen aus dem normalen Alltagsleben geworfen hat. Manchmal schleichen sich derlei Überraschungen so plötzlich ein, dass man erst mal gar nicht kapiert, was da eigentlich so gezaubert wird.
Bei mir fängt das alles nach einem herrlichen Wochenende an. Am Sonntag radelte ich noch guter Dinge zu meinem Freund im Nachbarort, dann spielten wir Schach und Abends ging ich friedlich zum Matratzen- horchdienst.
Montag früh, 6:15 Uhr :
Dröhn, laber, dudel dudel, - WERBUNG, mein Radiowecker geht tierisch los und irgendwie rappelt es auch woanders. Die erste Bewegung im Bett offenbart es mir, alle meine Knochen sind plötzlich deutlich wahrzunehmen. Jesus, was tun mir meine Glieder weh und auch die, welche mir gar nicht gehören, schmerzen. Dazu rumpeln ganze Steinschläge schwerer Felsen in meiner Hirnschale herum und meine Körpertemperatur hält sich auch nicht mehr an die allgemeine Norm.
Mit anderen Worten : Normalerweise ist das nicht normal !
Nun ja, als pflichtbewusster Bürger fahre ich erst mal zur Arbeit, sicher gibt sich das im Laufe des Tages wieder.
Es gibt sich aber nicht und am Nachmittag fühle ich mich wie ein Vulkan vorm Ausbruch. Also Arbeit den anderen überlassen, mit den letzten Kraftreserven heimfahren und ab in die Horizontale.
Es folgen Teetrinken und schwitzen mit dem Ergebnis, dass ich ruck zuck ein Wasserbett habe und mein Fieber astronomische Höhen erreicht.
Die Nacht voller Alpträume über glühende Hochöfen, schmelzende Lava und Protuberanzen auf der Sonne geht nur sehr langsam rum und am nächsten Tag fühle ich mich wie ein Asteroid nach dem Einschlag !
Es bleibt mir also am Dienstag nur der obligatorische Gang zum Onkel Doktor. Da Patient hohes Fieber hat, bekommt man leicht einen Nottermin und somit verkürzt sich die Wartezeit soweit, das Schlafsack und Notproviant nicht nötig sind.
Mit solch einem hohen Fieber sollte man sein erhitztes Gemüt nicht unnötig selbst im Automobil herumkurven, also muss meine liebe Lebensgefährtin Annette ihren Wagen benutzen ( meine alte Rostschleuder wäre ohnehin nicht angesprungen ).
Dann ist es soweit, betrete ich das medizinische Refugium unseres Hausarztes. Hausarzt wohl deswegen, weil er nicht unter offenem Himmel praktiziert.
An der Rezeption ist so’n bissi Formularkram fällig, den ich im Fieberwahn kaum mitbekomme. Dafür bestürzt mich das überfüllte Wartezimmer. Hysterische Kleinkinder plärren mit Lungenembolie und Asthmaanfällen um die Wette. Dass es gegen so etwas keinen Spray oder Ähnliches in der Art gibt, ist schon schlimm genug. Aber die schalldichte Bunkertür zum Empfang geht dann schon etwas zu weit. Schließlich haben sie ja dieses Irrenhaus zu verantworten, weil sie Hinz und Kunz zum Doktor kommen lassen, damit ja auch die Bilanzen stimmen !
Egal, da muss ich leider hindurch und weil ich keine Lust verspüre, die vollgerotzten sowie fettversifften und ausgelutschten Zeitschriften auch nur anzusehen, langweile ich mich etwas. Dabei grübel ich ein wenig über die ausgefallendsten Krankheiten nach, die mich wohl heimgesucht haben könnten. Doch die Wartezeit langt nur bis zu koresistenten primären Sekundär – Nierensteinen.
Immerhin reicht es noch zum gegenseitigen Austausch von allerlei exotischen Krankheiten. Nachdem ich tüchtig meine Erreger gespendet habe, bleibt nur die Flucht nach vorne, sprich: Ins Behandlungszimmer.
Ich muss im ganzen Gesicht bestimmt noch feuerrot sein, so heftig und intensiv war mein Hustenanfall gewesen.
Geschieht den Geiern auch recht. Was müssen die ewig wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt rennen? Wo kämen wir da hin?
Selbst durch die dicke Stahltür ist noch der abklingende Tumult zu hören. Da muss alles zusammen brüllen, schreien, rotzen, niesen und brechen.
Ich sag’s ja, ist ein Irrenhaus!
Eine andere Tür schwingt rasch auf, mit langen Kondensstreifen stürmt unser Hausarzt in die Stube und während er sich überstürzt die Hände wäscht, fragt er mich nach meinen Symptomen. Ich hole Luft zum Antworten, da schüttelt er mir schon freundlich die Hand.
„Wir überlassen das erst mal ihrer körpereigenen Immunabwehr!“, ist sein gutgemeinter Ratschlag und mit starkem Aspirin gegen das Fieber trete ich den Heimweg an.
Dienstag : Fieber hoch, Aspirin rein, Fieber runter … Fieber wieder hoch!
Mittwoch : Fieber noch höher, viel Aspirin rein, Fieber etwas runter … Fieber wieder sehr hoch!!
Donnerstag : Fieber extrem hoch, eine Schachtel Aspirin rein, Fieber lacht darüber, ich sieche dahin!!!
Also, irgendwie führt das zu nichts. Es folgt wieder eine Runde im Wartezimmer und derweil husten Jung und Alt um die Wette, wird geschnupft, dass die Bazillen nur so in dichten Wolken davonstieben. Meine Lunge kann sich hören lassen und da meine Erreger qualitativ den anderen bestimmt in nichts nachstehen, sorge ich auch für eine gerechte Verteilung. Als gerade eine besonders interessante Geräuschkombination aus hysterischem Babygeplärr, einem schweren Asthmaanfall und einem gut gelungenen Hustenauswurf aus meiner Lunge zustande kommt, werde ich aufgerufen. Egal, im Vorbeigehen zum Behandlungszimmer kann ich noch drei weitere Quadratmeter kontaminieren.
Onkel Doktor hört an Lunge, aber es gibt nichts zu hören – weil wohl komplett verschleimt – der Fall wird ihm zu unübersichtlich und so erfolgt die Einweisung ins Krankenhaus.
„Die kriegen sie schon wieder hin, auf Wiedersehen, der Nächste bitte!“
Freitag : Die liebe Lebensgefährtin Annette bringt also mich und meine kranke Lunge in das Krankenhaus. Da stehe ich nun, auf Gedeih und Verderb den Mächten der Medizin ausgeliefert. Um mich herum misstrauische Blicke, was will der denn hier? Ein gelungener Hustenanfall stellt das benötigte Vertrauen wieder her und so wage ich mich zum Pförtner. Wo denn die innere Aufnahme sei, lautet meine Frage und sehr höflich ( endlich mal wieder ein zahlender Gast, anstatt der finanziell nichts einbringenden Besucher - denkt er sich bestimmt ) zeigt er mir die gewünschte Richtung.
Brav trotte ich die Gänge entlang und nach dem ersten Kilometer weißer Flure muss ich erst einmal eine Pause einlegen. Erschöpft spreche ich einen Weißkittel an und muss erfahren, dass ich im völlig falschen Block bin. Erst müssen sie da und dort und hier entlang und wieder eine Viertelstunde später bin ich am Ende meiner Kondition.
Nun muss ich erst mal aufs Klo und zufällig befindet sich gewünschte Einrichtung links von mir. Quietschend geht die Tür auf und nachdem ich einen lauten Schwarm Fliegen befreit habe, stehe ich vor dem Wunder der modernen Sanitärtechnik. Komplizierte Supertechnik ist ja bekanntlich dazu da, um im entscheidenden Moment zu versagen.
So geht denn auch die elektrische Klobrille nicht auf. Ich wedel vor der Lichtschranke herum, doch nichts passiert. Ich versuche den Deckel mit der Hand hoch zu zerren, aber er weigert sich wehement. Der Druck in meiner Blase muss sich inzwischen auf über 5 Atü angestaut haben ( oder Bar oder Pascal oder weiß der Teufel was, denn an der Tatsache, dass ich Strullern muss, ändert das sowieso nichts ) !
So kann und darf es nicht weiter gehen.
Ich könnte mir natürlich auch alternativ einen Blasenkatheder legen lassen, jetzt, wo ich schon mal im Krankenhaus bin. Ja, das täte zukünftig das Strullern enorm erleichtern. Man schwenkt einfach unauffällig das Schlauchende ein wenig hin und her, geht sogar auf jeder öffentlichen Veranstaltung. Nie wieder ein Klo vonnöten ! Hmm, aber was mache ich nachts im Bett ?
Nee man, dann lieber doch keinen künstlichen Blasenausgang.
Mit brachialer Urgewalt gehe ich dem Mistding zu Leibe und dann gibt er plötzlich nach.
Der Klodeckel.
Der Schwung befördert meine Hand direkt in den Lokus ! Na herrlich !!
Da schwimmt noch allerlei exotisches Zeugs herum, die Spülung scheint auch nicht zu gehen. Ich erleichtere mich und drücke die Spülung, doch das Licht geht aus. Ich drehe den Wasserhahn auf, die Klospülung rauscht los. Ich drücke auf den Lichtschalter, der Schleudersitz geht los und mit Getöse fliegt mir die Klobrille um den Hals.
Ein Blick aus dem zerbrochenen Klofenster zeigt mir, wo der nächste Pillermann sein Klopapier finden wird !
Die Handwerker hier scheinen wohl nicht den allerbesten Schulabgang gehabt zu haben.
Weiter geht mein Gewaltmarsch, es folgen Treppen, Lifte und lange Gänge.
Genug, es geht schon auf sehr spät zu, also informieren :
Ich öffne aufs geradewohl die nächstbeste Tür und falle in das Zimmer, natürlich ein OP. Aha, die Nieren- transplantation ist endlich da und schon stürzen Chirurg, Assistenzarzt und der Anästhesist auf mich zu.
„Hilfe“, schreie ich und schiebe in meiner Verzweiflung einen Instrumentenwagen vor die Ärzte. Das Scheppern, Fallen und Fluchen höre ich schon gar nicht mehr, da ich mittlerweile die nächste Gangecke passiert habe. Im Schwung stolpere ich und falle auf ein Bett. Ein Arzt schiebt es sofort los.
„Sie bekommen gleich die Narkose und dann entfernen wir ihren Gehirntumor.“
Wie bitte ? Ich werde wahnsinnig ! Das ist der total falsche Film. Himmel, ich will mein Gehirn nicht verlieren. Jetzt hilft nur ein Trick.
„Da blutet einer“, schreie ich und flüchte hastig von dannen, als der Arzt sich umdreht.
Und wie durch ein Wunder finde ich die gesuchte Abteilung. Anklopfen und dem Herein kann ich schon nicht mehr Folge leisten, da ich die Türklinke in der Hand habe. Die Ärztin öffnet alsbald auch schon und nimmt mir das Metall aus den Griffeln. Sie entschuldigt sich für die defekte Tür. Die Handwerker seien an einer hier eingeschleppten Epidemie erkrankt und liegen mitsamt ihrem Werkzeug auf der intensiven Isolierstation.
Ich und meine kranke Lunge treten schnaufend wie eine asthmatische Dampflokomotive ein. Unauffällig taste ich nach meinen Nieren, Gott sei Dank sind alle beide noch da. Wer weiß, was für ein schrumpeliges Spenderorgan ich von irgendeinem, vielleicht an chronischer Trinksucht gestorbenen und täglich 200 Zigaretten rauchenden Elend bekommen hätte.
Und dann mein Gehirn : Man stelle es sich mal bitte in Formaldehydlösung in einem Gurkenglas vor ! Wie sollen mich von dort meine Gedanken erreichen ? Außerdem hätte beim Haareschneiden mein Kopf sehr hohl geklungen.
Nun ja, lassen wir das …